Homeoffice im Ausland heikel: Wen kümmert’s?
Rechtsexperten warnen davor, die SBB holt Mitarbeiter-/innen aus Feriendestinationen zurück: Homeoffice im Ausland ist juristisch heikel. Die Kontrolle der Arbeitsorte ist jedoch sehr schwierig. Deshalb kümmern sich viele Firmen und Arbeitnehmende nur wenig um problematische Aspekte von Remote Work.
Wegen der Pandemie wurde ein Grossteil der Mitarbeiter-/innen ins Homeoffice geschickt. Einige versuchten, daraus das Beste zu machen, und verreisten mit dem Laptop im Gepäck ins Ausland. Weshalb in der engen Stadtwohnung schmoren, wenn man am Meer oder in den Bergen arbeiten kann?
Rechtsexperten: Maximal 20% Homeoffice im Ausland
Nach einigen schönen Remote-Work-Monaten, traten Rechtsexperten als Spielverderber auf den Plan: Homeoffice im Ausland führe nach einer gewissen Zeit zu Sozialversicherungspflichten und damit zu potentiell hohen Kosten für die Firmen. Im Juli 2021 veröffentlicht die Rechtsprofessorin Isabelle Wildhaber der Universität St.Gallen das „Handbuch Homeoffice“ und empfiehlt darin: maximal 20 Prozent Homeoffice-Anteil im Ausland.
Einige Firmen wie die SBB passten darauf ihre Homeoffice-Politik an. Die Mitarbeiter-/innen wurden zurück in die Schweiz gerufen. Wer nicht Rechtsexperte ist, kommt schnell an seine Grenzen: dürfen an die Ferien an der Costa del Sol noch zwei Remote-Work-Wochen angehängt werden? Wie sieht’s mit einem langen Homeoffice-Wochenende im Ferienhaus in der Toscana aus?
Homeoffice im Ausland ist weit verbreitet
Hört man sich bei Betroffenen um, wird schnell klar: Theorie und Praxis klaffen weit auseinander. Während die Ratschläge der Rechtsexperten sehr restriktiv sind, wird dies in der Praxis kaum gelebt. Niemand scheint wirklich ein grosses Interesse daran zu haben, digitalen Nomaden das Leben im Ausland schwer zu machen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Behörden ausländische Remote Worker auf eine mögliche Steuerpflicht überprüfen, scheint sehr gering. Zudem ist die Präsenz von Langzeit-Touristen in vielen Ländern ausdrücklich erwünscht. Immer mehr Länder führen Langzeit-Visa für digitale Nomaden ein.
Insbesondere kleinere und mittlere Firmen sehen keine Dringlichkeit Workations im Ausland zu verbieten. Im Kampf um die besten Talente macht Remote Work Arbeitgeber attraktiv. Und dass die Arbeitnehmenden selbst in vorauseilendem Gehorsam auf schöne Stunden an der Sonne verzichten, ist ebenfalls nicht anzunehmen.
Sehr verbreitet: Homeoffice mit Touristenvisum
Der bei weitem grösste Teil der bei der Recherche für diesen Artikel befragten Digitalnomaden gab an, regelmässig im Ausland mit Touristen-Visum zu arbeiten und dabei keine negativen Erfahrungen gemacht zu haben.
Martin Keller* arbeitet zurzeit online aus Mexico. Er ist mit einem Touristenvisum eingereist, versucht nun aber, seine Situation mit einem anderen Visum zu legalisieren. Dies gestaltet sich schwierig, da Mexiko zurzeit kein spezielles Remote-Work-Visum anbietet. Seinem Arbeitgeber wäre es lieber, sich nicht mit diesem Thema auseinandersetzen zu müssen.
An diesem Fall zeigt sich, dass es problematisch wird, sobald jemand nicht nur einige Wochen, sondern längerfristig im Ausland arbeitet. Ein Rechtsanwalt, der sich mit dem Thema Homeoffice im Ausland intensiv befasst hat, aber nicht namentlich genannte werden möchte, dazu: „Aus meiner Erfahrung werden bei Touristenvisa die lokalen Behörden nicht aktiv, wenn der Aufenthalt nur kurz ist und man nicht lokal tätig ist.“
Langfristig und steuerfrei im Ausland mit Remote-Work-Visum
Es geht aber auch ganz legal: Denny arbeitet seit zwei Jahren in Barbados für eine Schweizer Firma. Das Inselparadies bietet ein einjähriges, verlängerbares Visum für digitale Nomaden an – steuerfrei. Denny bezahlt aber weiterhin in der Schweiz Steuern. Die Steuerbehörden stufen seinen Aufenthalt als Weltreise ein. Dies wohl auch, weil Denny und seine Familie die Absicht haben, irgendwann in die Schweiz zurückzukehren.
Auch Benoit R. Balet könnte steuerfrei leben, wenn er wollte. Er lebt in Dubai, das ebenfalls ein Remote-Work-Visum anbietet. Die Vereinigten Arabischen Emirate kennen keine Einkommenssteuer für Privatpersonen. Aus persönlichen und geschäftlichen Gründen, unter Anderem wegen dem Zugang zum Schweizer Gesundheitssystem, zahlt Balet jedoch freiwillig in der Schweiz Steuern. Es besteht viel Spielraum bei der Ausgestaltung des persönlichen „Steuer-Settings“.
Remote Work im Ausland meist wenig problematisch
Theoretisch scheint Homeoffice im Ausland heikel. Sucht man nach konkreten Problemfällen, wird man kaum fündig. So konnte bei der Recherche für diesen Artikel kein einziger Fall von jemanden, der bei der Remote-Arbeit mit Touristen-Visum im Ausland in Probleme geraten wäre, gefunden werden. Es scheint, dass Homeoffice im Ausland vor Allem auf theoretisch-juristischer Ebene problematisch ist. In der Praxis kümmern sich nur wenige gross um allfällige rechtliche Probleme.
*Name abgeändert, der Redaktion bekannt
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